Molekulare Allergiediagnostik - keine Zukunftsmusik mehr
In den letzten Jahren hat sich ergänzend die molekulare Allergiediagnostik (Komponenten-basierte IgE-Allergiediagnostik) entwickelt. Dabei werden ebenfalls spezifische IgE-Antikörper im Serum bestimmt, hier aber nicht gegen die bisher im RAST immer verwendeten Gesamtextrakte (Extrakt-basierte Allergiediagnostik), sondern gegen einzelne rekombinant hergestellte Allergenfragmente der Nahrungsmittel. Gerade die Nahrungsmittelallergiediagnostik wird durch die Komponenten-basierte IgE-Allergiediagnostik bei folgenden Fragestellungen ergänzt:
1. Pollen-assoziierte Nahrungsmittelallergien
Bei Pollen-assoziierten Nahrungsmittelallergien dient der getrennte Nachweis von IgE-Antikörpern gegen Spezies-relevante Allergenkomponenten und kreuzreagierenden Allergenen (PR-10-Proteine, Profiline) zur Beantwortung der Frage, ob es sich (nur) um eine Kreuzreaktivität bei Birken-, Beifuß- oder Gräserpollenallergie handelt oder um eine echte (genuine) Spezies-spezifische Allergie auf das Nahrungsmittel. Letztere sind mit einem höheren Risiko für schwere systemische Reaktionen verbunden. Die heute für diese Fragestellung verfügbaren kreuzreagierenden Komponenten sind in der Tabelle fett gedruckt. In einigen Fällen ist auf Grund noch fehlender Verfügbarkeit einzelner Komponenten die Abschätzung nur aus der kombinatorischen Aussage aus Extrakt-basierter IgE-Diagnostik und den verfügbaren Komponenten möglich.
Nahrungsmittel | Extrakt-basierte IgE-Diagnostik | genuine NMA auf Speicher- & LT-Proteine | (nur) Pollen-assoziiert, kreuzreaktiv |
---|---|---|---|
Apfel | F49 | Mal d3 | Mal d1 |
Erdnuss | F13 | Ara h1, Ara h2, Ara h3, Ara h6, Ara h9 | Ara h8 |
Haselnuss | F17 | Cor a 8, Cor a9, Cor a 14 | Cor a1 |
Walnuss | F256 | Jug r1, Jug r2, Jug r4, Jug r3 | Jug r5 |
Soja | F14 | Gly m5, Gly m6 | Gly m4* |
Sellerie | F85 | Api g1.01* | |
Pfirsich | F95 | Pru p3 | Pru p1, Pru p4 |
Cashewnuss | F202 | Ana o3 | |
Paranuss | F18 | Ber e1 | |
Kiwi | F54 | rAct d8 |
*Für die Allergene Soja und Sellerie kann es auch bei Sensibilisierungen gegen das PR-10-Protein zu schweren systemischen Reaktionen kommen.
Die Pollen-assoziierten Nahrungsmittelallergien werden hier erläutert.
2. Verdacht auf Fleischallergie
Neben den primären Fleischallergien, z.B. auf Serumalbumine wie Bos d6 (Rind), zeigen einige Patienten IgEs gegen Galaktose-alpha-1,3-Galaktose (α-Gal). Dieses Molekül wird auf Geweben von Säugetieren exprimiert. Die Diagnostik einer α-Gal-Allergie erfolgt über Bestimmung von spezifischem IgE gegen α-Gal (Allergencode o215). Die klassische Symptomatik betroffener Patienten ist eine verzögerte Anaphylaxie nach Genuss von Schweine-, Rind- oder Lammfleisch sowie Innereien. Typische Beschwerden sind Urtikaria, Angioödeme oder Dyspnoe 3 bis 6 Stunden nach Fleischgenuss. Die konventionelle IgE-Diagnostik auf die Fleischallergene oder die Pricktestdiagnostik sind oft negativ, da α-Gal darin kaum enthalten ist.
3. Sensitiver Nachweis einer Krustazeenallergie
Tropomyosin ist als Muskelstrukturprotein sämtlicher Athropoden das wichtigste Allergen bei einer Krustazeenallergie. Die Testung auf das rekombinant hergestellte rPen a1 (Garnele Tropomyosin, Code f351) ist oft sensitiver als die Untersuchung auf Gesamtextrakte. Eine Kreuzallergie zu Hausstaubmilben liegt dann vor, wenn eine Sensibilisierung auf das Hausstaubmilbenallergen rDer p10 (Code d205) vorliegt.
4. Weizen-abhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie (WDEIA)
Das Omega-5 Gliadin des Weizens (Tri a19) ist ein wasserunlösliches Protein, welches im Gesamtextrakt f4 (Weizenmehl) unterrepräsentiert ist. Daher ist bei Patienten, die auf ω-5 Gliadin sensibilisiert sind, die Gesamtextrakt-IgE-Diagnostik und der Pricktest auf Weizen meist falsch negativ.
Die Symptome wie Urtikaria, Flush, Dyspnoe, Angioödeme bis hin zu lebensgefährlichen Anaphylaxien treten bei diesen Patienten 30 bis 60 Minunten nach Genuss von Weizenprodukten, typischerweise in Verbindung mit körperlicher Belastung, auf. Die Diagnostik erfolgt bei entsprechendem anamnestischen Verdacht durch Bestimmung von IgE gegen ω-5 Gliadin (Allergencode f416).
5. Risikoabschätzung bei Kuhmilchallergie
Die Diagnosestellung der Kuhmilchallergie erfolgt über Pricktest oder IgE-Nachweis auf Gesamtextrakt f2. Mit der Allergenkomponenten-basierten Diagnostik kann anschließend auf die einzelnen Kuhmilchproteine untersucht werden. Ein bekannter Risikomarker ist dabei das Kasein (Bos d8), da dieses hitze- und verdauungsstabil ist. Bei Sensibilisierung auf α-Laktalbumin (Bos d4), β-Laktoglobulin (Bos d5) und Serumalbumin (Bos d6) wird gekochte und verarbeitete Milch meist gut vertragen.
Eine detaillierte Übersicht über alle derzeit bekannten und im Labor mittels CAP-Technologie von Phadia bestimmbaren Allergenkomponenten finden Sie hier.
Material
Nachweis von spezifischem IgE (CAP-Testung): 10 ml Vollblut zur Serumgewinnung sind ausreichend für mindestens 20 Allergene
Abrechnung
Für die CAP-Leistungen ist eine Abrechnung im kassen- und privatärztlichen Bereich gegeben.
Literatur
- Kleine-Tebbe J. et al. Allergenfamilien und molekulare Diagnostik IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien: von der Theorie zur Praxis Allergo J 2010; 19: 251-63
- Valenta R et al. The recombinant allergen-based concept of component-resolved diagnostics and immunotherapy (CRD and CRIT). Clin Exp Allergy 1999;29:896-904
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- Valenta R, Duchene M, Ebner C, Valent P, Sillaber C, Deviller P, Ferreira F, Tejkl M, Edelmann H, Kraft D, et al. Profilins constitute a novel family of functional plant pan-allergens. J Exp Med 1992;175:377-385
- Müller U. Hymenoptera venom allergy: Analysis of double positivity to honey bee and Vespula venom by estimation of IgE antibodies to species-specific major allergens Api m1 and Ves v5. Allergy 2009; 64: 543-8
- Commins S et al. Delayed anaphylaxis, angioedema, or urticaria after consumption of red meat in patients with IgE antibodies specific for galactose-alpha-1,3-galactose. Journal of Allergy and Clin Immunol. 2009; 123:426–433.