Was sind Autoimmunerkrankungen?
Bei Autoimmunerkrankungen handelt es sich um chronisch entzündliche Prozesse. Weltweit sind derzeit ca. 5-8% der Bevölkerung von ungefähr 80-100 verschiedenen Autoimmunerkrankungen betroffen. Sie bilden nach Herz-Kreislauf- und Tumorerkrankungen die dritthäufigste Erkrankungsgruppe. Allerdings wurde in den letzten Jahren eine stetige Zunahme der Häufigkeit beobachtet (z.B. Diabetes mellitus Typ 1, Multiple Sklerose).
Eine zentrale ursächliche Rolle spielt die Störung im Immunsystem, die zum Verlust der Toleranz gegenüber körpereigenen Gewebestrukturen führt. Das Immunsystem, welches den Menschen im intakten Zustand vor Viren, Bakterien, Parasiten oder sonstige Fremdstoffen schützt, kann bei Autoimmunerkrankungen nicht mehr zwischen „fremd“ und „selbst“ (auto) unterscheiden. In Folge dessen greift das Immunsystem gesundes, körpereigenes Gewebe an.
Eine unbehandelte Autoimmunerkrankung kann durch schwere Entzündungsreaktionen zur Zerstörung des betroffenen Organs und in bestimmten Fällen mit schwerem Verlauf (mit Systembeteiligung) zum Tod führen. Daher ist eine frühzeitige Diagnose und Therapie von großer Bedeutung. Es erfordert die Beteiligung von Ärzten aus nahezu allen Fachrichtungen, angefangen von den Haus- und Allgemeinmedizinern bis hin zu Spezialisten, wie z.B. Rheumatologen, Nephrologen, Neurologen, Kardiologen, Pädiatern oder Dermatologen.
Organspezifische und systemische Autoimmunerkrankungen
Das Immunsystem richtet sich entweder selektiv gegen ein bestimmtes Organ (z.B. Schilddrüse, Pankreas, Darm, Haut, Nerven) und zählt dann zu den sogenannten organspezifischen Autoimmunerkrankung oder es geht gegen das gesamte System vor und verursacht damit eine nicht-organspezifische, systemische Autoimmunerkrankung. In dem Fall attackiert das Immunsystem verschiedene Körperorgane. Im Folgenden sind ein paar Beispiele dargestellt:
Organspezifische Autoimmunerkrankungen:
- Multiple Sklerose (AAk gegen Myelinscheide der Nervenfasern)
- Diabetes mellitus Typ 1 (AAk gegen Inselzellen der Bauchspeicheldrüse)
- Colitis ulcerosa (AAk gegen die Darmschleimhaut)
- Pemphigus vulgaris (AAk gegen die oberste Hautschicht =Epidermis)
- Myasthenia gravis (AAk gegen Acetylcholin-Rezeptoren an motorischen Endplatten)
- Morbus Basedow (AAk gegen TSH-Rezeptoren der Schilddrüse)
Systemische Autoimmunerkrankungen:
(Erkrankungen des entzündlich-rheumatischen Formenkreises)
- Rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis, "Gelenkrheuma")
- Lupus erythematodes (SLE) (Reaktionen gegen zahlreiche Organe)
- Polymyositis (Entzündung der Muskulatur)
- Sjögren-Syndrom (AAk gegen exokrine Drüsen)
- Sklerodermie (Bindegewebsverhärtung von Haut, Gefäßen und inneren Organen)
- Systemische Vaskulitiden (Entzündung der Gefäße)
- Anti-Phospholipid-Syndrom (Störung in der Blutgerinnung)
Eine Übersicht über die Autoimmunerkrankungen, dazugehörige klinische Gesichtspunkte und weiterführende Informationen finden Sie auch auf der Homepage der „Deutschen Gesellschaft für Autoimmun-Erkrankungen e.V.": https://www.autoimmun.org/erkrankungen
Die Ursachen für das Auftreten von Autoimmunerkrankungen sind sehr vielseitig und komplex. Erst durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren kann eine Autoimmunerkrankung ausgelöst werden. Zugrunde liegt immer eine Störung des lebenserhaltenden immunologischen Gleichgewichts. Zu den Ursachen zählen unter anderem:
- gestörte Regulation des Immunsystems, Toleranzverlust
- exogene (auslösende) Faktoren, wie z.B.
- Stress
- Viren, Bakterien, Parasiten
- Medikamente
- Umweltschadstoffe
- Geschlecht (weiblich > männlich)
- genetische Faktoren (HLA-assoziierte Erkrankungen)
- immunologische Sondersituation, z.B. Schwangerschaft
- Begleiterkrankung bei Malignomen