Thrombose und Thrombophilie Risikofaktoren und plasmatische Diagnostik
Grundlagen
Die Thrombophilie beschreibt einen Zustand mit erhöhter Neigung zu venösen und/oder arteriellen Thrombosen. Thrombosen entstehen aus dem vielschichtigen Zusammenspiel von allgemeinen und speziellen Thromboserisikofaktoren.
Allgemeine Risikofaktoren:
Zu diesen zählen unter anderem: Alter über 40 Jahre, Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel, Vorhandensein von Varizen, orale Kontrazeption, Störungen im Fettstoffwechsel, Langstreckenflüge, langandauernde chirurgische Elektiveingriffe, Tumorleiden und hämodynamische Veränderungen während der Schwangerschaft.
Spezielle Thromboserisikofaktoren
sind angeborene und/oder erworbene plasmatische Störungen im Hämostase- und Fibrinolysesystem.
Klinische Bedeutung
In Deutschland erleiden jährlich etwa 400.000 Menschen eine Thrombose, ca. 40.000 Patienten sterben pro Jahr an den Folgen einer Lungenembolie. Trotz der bereits sehr guten Kenntnisse über die speziellen Thromboserisikofaktoren ist derzeit kein Rückgang der Erkrankungshäufigkeit zu verzeichnen.
Deshalb ist es, insbesondere nach thrombotischen Ereignissen und bei bestehenden allgemeinen Thromboserisikofaktoren mit familiärer Thrombosehäufung, erforderlich, neben der Minimierung der allgemeinen Thromboserisiken die speziellen Thromboserisikofaktoren (Thrombophiliemarker) zu messen, um das individuelle Risiko des Patienten bestimmen zu können.
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse können dann spezielle, individuell risikoadaptierte prophylaktische Maßnahmen dazu beitragen, Erst- und Folgeereignisse zu verhindern!
Idealerweise ist natürlich die vorbeugende Vermeidung („Prophylaxe“) einer Thrombose anzustreben. Neben den selbst zu beeinflussenden Faktoren (Bewegungsmangel, Körpergewicht, Rauchverhalten, Medikamenteneinnahme) können hier auch die weiter unten beschriebenen, durch uns im Labor bestimmbaren, Faktoren in die Risikoabschätzung einfließen.
In der Synopsis aller Thrombophilie-relevanter Daten muss dann unter Einschätzung des individuellen Blutungsrisikos (z. B. unter Zuhilfenahme des HAS-BLED Scores) über die Antikoagulation per se, welche Medikamente eingesetzt werden sollen, die Dauer der Antikoagulation etc. entschieden werden. Die Kontrolle der Nutzen-Risiko-Balance einer antikoagulatorischen Therapie muss in regelmäßigen Abständen geprüft werden.
Indikation
Klinische Indikation
Zustand nach Thrombosen und Thromboembolien vor allem in jüngeren Jahren, bei atypischer Lokalisation, unklaren Aborten
Prophylaktische Indikation
Bei vorhandener positiver Familienanamnese und/oder Vorliegen allgemeiner Thromboserisikofaktoren (insbesondere bei Kombinationen von z. B. Rauchen, Übergewicht, „Pille“/Hormonersatztherapie)
Diagnostisches Vorgehen
Die Messung von Thrombophiliemarkern (außer den genetischen Markern) sollte im therapie- und symptomfreien Intervall erfolgen! Das empfohlene diagnostische Vorgehen entnehmen Sie bitte der Tabelle auf der Rückseite.
Präanalytik / Probenentnahme
Eine kurze Zwischenlagerung bei Zimmertemperatur ist möglich. Die Blutentnahme für Thrombophiliemarker sollte aber möglichst kurz vor Eintreffen des Laborkuriers stattfinden. Die Proben müssen taggleich im Labor eintreffen. Die Blutentnahme im Labor ist als Methode der Wahl speziell für empfindliche Analyte wie Protein Z empfohlen.
(bitte kurze telefonische Terminvereinbarung unter 030-770010).
Abrechnung
Bei Verwendung der Ausnahmekennziffer 32011 ist die Thrombophiliediagnostik im GKV-Bereich budgetneutral und belastet Ihr Laborbudget nicht.
Einige medizinische Leistungen können von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bzw. nicht in jedem Fall (z.B. auf eigenen Wunsch) übernommen werden und müssen deshalb vom Patienten selbst bezahlt werden („individuelle Gesundheitsleistungen“). Besteht kein vorheriger Leistungsausschluss, ist von einer Kostenübernahme durch private Krankenkassen auszugehen.
Diagnostische Stufe | Parameter | Untersuchungsmaterial | |
---|---|---|---|
Stufe I | AT, Protein C- und S-Aktivität, APC-Resistenz, Faktor II (Prothrombin)-Gen-Mutation, Lupusantikoagulanz, Anti-Cardiolipin-Antikörper (IgG, IgM), Anti-b2-Glykoprotein-I-Antikörper, aPTT, Quick, Fibrinogen, Thrombozytenzahl, Homocystein, Lp (a), Faktor VIII:c, CRP | 2 Serum-, 2 EDTA-, 3 Citrat-Monovetten, 1 saure Citratmonovette (Homocystein) | |
Stufe II | Bei pathologischer APC-Resistenz | Faktor V-Gen-Mutationsnachweis | 1 Serum-, 2 EDTA-, 2 Citrat-Monovetten |
Bei reduzierter AT-, Protein C- Aktivität, reduziertem Protein S | Konzentrationsmessung von AT und Protein C, Protein S-Aktivität | ||
Wenn Lupusantikoagulanz u./o. Cardiolipin-Ak u./o. b2-GP-I positiv | Obligatorische Kontrolle der Befunde nach 12 Wochen | ||
Bei Hyperhomocysteinämie | TSH, fT4, Nierenstatus, Holotranscobalamin oder Vitamin B12, Folsäure, Vitamin B6, großes Blutbild | ||
Weiterführend (Evidenz teilweise noch unklar; Übergang zu Stufe III) | Plasminogen, Plasminogen-Aktivator-Inhibitor, (PAI)-Mutationsnachweis, Protein Z, Faktor XIII-Mutation (protektiv) | ||
Stufe III | Thrombophiliemarkern bitten wir um Rücksprache mit dem Labor zum weiteren diagnostischen Vorgehen. So ist das D-Dimer zwar ein wichtiger Parameter zum Ausschluss einer akuten tiefen Bein-/Beckenvenenthrombose oder einer Lungenembolie, zusätzlich kann seine Nachweisbarkeit ca. vier Wochen nach Beendigung einer evtl. Antikoagulation auch zur Abschätzung des Rethromboserisikos verwendet werden. Weiterhin weisen Erkrankungen wie bspw. die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP), die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) oder die Polycythämia vera (PCV) auch thrombembolische Komplikationen teilweise als führendes Symptom auf, deren Diagnostik aber den hier gesetzten Rahmen sprengen würde. | 1 Citrat-Monovette (für D-Dimer) Weitere Materialien bitte nach Rücksprache bzgl. der weiteren Diagnostik |
Bei genetischen Untersuchungen bitte eine schriftliche Einverständniserklärung des Patienten (gemäß Gendiagnostikgesetz) mitschicken.
Literatur
Hämostaseologie für die Praxis
„Sicher durch den klinischen Alltag“
Hans D Bruhn, Viola Hach-Wunderle, Christian M Schambeck, Rüdiger E Scharf (Herausgeber) 2010 | 2., Auflage
Schattauer (Verlag)
978-3-7945-2735-9 (ISBN)
Das Gerinnungskompendium
„Schnellorientierung, Befundinterpretation, klinische Konsequenzen“
Monika Barthels
2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2012
Thieme Verlag
ISBN: 9783131317520
Gerinnung im klinischen Alltag
Helmut Tschulik (Projektleitung) (Autor), F. Bauer (Autor), G. Baumann u.a. (Autor)
6. überarbeitete und erweiterte Auflage 2014
Interdisziplinäre Gerinnungsgruppe Steiermark (Herausgeber)