Das Serotonintransporter-Gen als Indikator für funktionellen Serotoninmangel bei Symptomen aus dem depressiven Formenkreis?
Das endogene Peptidhormon Serotonin erfüllt wichtige physiologische Aufgaben im Verdauungstrakt, im Blutkreislauf aber auch im zentralen Nervensystem. Im Gehirn dient es als Neurotransmitter und leitet Signale zwischen Nervenzellen weiter. Beim Menschen entsteht Serotonin durch Biotransformation der Aminosäure L-Tryptophan.
Depression durch Serotoninmangel?
Stimmungseinengung, Verlust der affektiven Resonanz, Angst, Antriebshemmung und Schlafstörungen sind die wichtigsten Symptome bei Erkrankungen aus dem depressiven Formenkreis. Begründet durch die Komplexität neuropsychiatrischer Störungen und der Heterogenität der Krankheitsbilder wird bis heute darüber gestritten, ob Serotoininmangel kausal an der Pathogenese beteiligt ist (Serotoninhypothese, Coppen, 1967). Die Hypothese wird durch die Beobachtung gestützt, dass die Symptome häufi g durch Steigerung des Serotoninspiegels gelindert werden können. Serotonin wird daher oft auch als „Glückshormon“ bezeichnet. Tatsächlich wirken viele Antidepressiva durch eine Verstärkung der serotoninvermittelten Neurotransmission. Der postulierte Serotoninmangel erscheint dabei multifaktoriell bedingt und kann u. a. durch chronische Immunaktivierungen und Tryptophanmangel begünstigt werden. Die Aminosäure Tryptophan kann der Mensch nicht selbst produzieren. Sie wird aus Tryptophanreichen Nahrungsmitteln aufgenommen, was v. a. bei gestörter Darmflora vermindert sein kann.
Depressive Symptome trotz normalem Serotoninspiegel?
Aktuellen Forschungsergebnissen zufolge könnte auch eine genetische Veranlagung, eine Variante des Serotonintransporters, die Entwicklung von Erkrankungen mit depressiven Symptomen begünstigen.
Der Serotonintransporter ist ein Transportmolekül, das an der Synapse ausgeschüttetes Serotonin zurück in die Nervenzelle pumpt. Dadurch wird der Botenstoff aus dem synaptischen Spalt entfernt und für eine erneute Signalweiterleitung wieder aufbereitet. Der Serotonintransporter begrenzt auf diese Weise die Dauer des Serotonin-basierten Signals und sorgt für einen sparsamen Umgang mit dem zellulären Energiehaushalt. Eine verkürzte Variante des Serotonintransporter-Gens (Variante „K“) führt zu einer Verminderung der Anzahl an Serotonintransporter-Molekülen auf der Nervenzelle und somit zu einem funktionellen Serotoninmangel an der Synapse auf Grund einer geringeren Ansprechbarkeit.
Assoziation der Genvariante mit Angsterkrankungen und depressiven Störungen
Erklärbar durch seine Funktion in der Serotonin-vermittelten Neurotransmission wurde ein Zusammenhang der genetischen Serotonintransporter-Variante mit dem Auftreten von affektiven Störungen gefunden. Wissenschaftliche Studien konnten zeigen, dass Träger zweier varianter Genkopien (Genotyp K/K) häufiger an Angststörungen und Depressionen leiden (Lesch et al., 1996; Zalsman et al., 2006). Damit kann die molekulargenetische Analyse des Serotonintransporters als unterstützender Anhaltspunkt bei der Diagnostik von depressiven Symptomen, Schlaf- und Angststörungen sowie Antriebsstörungen genutzt werden. Da etwa 20 % der Europäer homozygote Träger dieser Genvariante (Genotyp K/K) sind, wird deutlich, dass hier weitere auslösende Faktoren hinzutreten müssen. Chronische Immunaktivierungen werden in diesem Zusammenhang diskutiert.
Indikationen für die Untersuchung
- Verdacht auf Serotonin-assoziierte psychische Symptomatik trotz normalen Serotoninspiegels
- Verdacht auf funktionelle Serotonindefizienz bei andauernder und anderweitig nicht klassifizierbarer Chronic- Fatigue-Symptomatik, Antriebslosigkeit, Stimmungseinengung, Verlust der affektiven Resonanz, Angst und Schlafstörungen.
Der Test ermöglicht auch eine prognostische Aussage über die Wirksamkeit einer Therapie mit SSRI
Die variante Form des Serotonintransporter-Gens erscheint außerdem mit schlechtem Ansprechen auf selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (selective serotonine reuptake inhibitor, SSRI) assoziiert zu sein. Wirkstoffe aus dieser Gruppe sind Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertralin. Schon Patienten, die das variante Serotonintransporter-Gen auf einem Chromosom tragen (Genotyp L/K), sprechen zeitlich verzögert auf eine SSRI-Behandlung an. Liegt das variante Gen auf beiden Chromosomen vor (Genotyp K/K), zeigen die Patienten eine signifikant schlechtere Remissionsrate unter SSRI-Therapie (Serretti et al., 2007).
Material
2 ml EDTA-Blut
Für genetische Untersuchungen benötigen wir die Einverständniserklärung des Patienten. Der Transport ins Labor ist nicht zeitkritisch und kann per Postversand erfolgen.
Abrechnung
Eine Abrechnung ist nur im privatärztlichen Bereich (GOÄ) gegeben. Aktuelle Untersuchungskosten für Selbstzahler (IGeL) entnehmen Sie bitte dem PDF-Dokument.
Literatur
- Coppen A (1967). The biochemistry of affective disorders. Br J Psychiatry113:1237-1264.
- Lesch KP, Bengel D, Heils A, Sabol SZ, Greenberg BD, Petri S, Benjamin J, Müller CR, Hamer DH, Murphy DL (1996). Association of anxiety-related traits with a polymorphism in the serotonin transporter gene regulatory region. Science 274:1527-1531.
- Serretti A, Kato M, De Ronchi D, Kinoshita T (2007). Meta-analysis of serotonin transporter gene promoter polymorphism (5-HTTLPR) association with selective serotonin reuptake inhibitor efficacy in depressed patients. Mol Psychiatry 12:247-257.
- Zalsman G, Huang YY, Oquendo MA, Burke AK, Hu XZ, Brent DA, Ellis SP, Goldman D, Mann JJ (2006). Association of a triallelic serotonin transporter gene promoter region (5-HTTLPR) polymorphism with stressful life events and severity of depression. Am J Psychiatry 163:1588-1593.