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Rheumafaktoren – Klassifikationskriterium für die Rheumatoide Arthritis

Einleitung

Die Rheumatoide Arthritis (RA), auch als chronische Polyarthritis bekannt, ist neben den autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen die häufigste Autoimmunerkrankung in den Industrienationen mit einer Prävalenz von ca. 1 %. Auf der Erkenntnis, dass die frühe RA klinisch und radiologisch eine besonders schnelle Progredienz aufweist und die Therapie in dieser Phase kurz- und langfristig besonders erfolgreich ist, beruht das Konzept der frühen aggressiven Therapie der RA („hit hard and early“). Hieraus resultiert die Notwendigkeit einer frühen diagnostischen Sicherung der RA. Dabei kann die Labordiagnostik eine wesentliche Hilfestellung geben.

Diagnostik der Rheumatoiden Arthritis

Der zur Klassifizierung einer RA geltende Kriterienkatalog des American College of Rheumatology (ACR) von 1987 wurde wegen mangelnder Sensitivität bei den frühen Erkrankungsstadien der RA überarbeitet. Eine Arbeitsgruppe des ACR und der European League Against Rheumatism (EULAR) entwickelte neue Empfehlungen (2010), in denen die späten Krankheitssymptome (z. B. Morgensteifigkeit, Rheumaknoten) durch frühzeitig nachweisbare serologische Biomarker, wie die ACPA (anti-citrullinierte Protein/Peptid-Antikörper; auch als CCP-Antikörper bekannt) ersetzt wurden. Neben den ACPA ist der bekannteste immunologische Laborparameter in der Diagnostik der RA der Rheumafaktor (RF). Dieser ist nach wie vor Bestandteil der revidierten Klassifikationskriterien. Die Beurteilung bei Patienten mit eindeutiger klinischer Synovitis in mindestens einem Gelenk und unklarer Ätiologie erfolgt nach einem Punktesystem (Aletaha et al., 2010):

RA-Klassifikationskriterien 

Für eine definitive Diagnose von RA sind mindestens 6 der möglichen 10 Punkte erforderlich.
  1. Anzahl und Lokalisation der Gelenke:
    • 1         großes Gelenk    0 Pkt.
    • 2-10    große Gelenke    1 Pkt.
    • 1-3      kleine Gelenke    2 Pkt
    • 4-10    kleine Gelenke    3 Pkt.   
    • > 10    Gelenke (mind. 1 kl. G.)    5 Pkt.
  2. Serologie:     
    • negativer RF und negative ACPA    0 Pkt.   
    • niedrig positve RF oder ACPA    2 Pkt.   
    • hoch positive RF oder ACPA    3 Pkt.
  3. Akut-Phase-Proteine:   
    • CRP und BSG normal    0 Pkt.   
    • CRP oder BSG erhöht    1 Pkt.
  4. Symptomdauer:
    • < 6 Wochen    0 Pkt.
    • ≥ 6 Wochen    1 Pkt.

Abb. 1 Charakteristische Verformungen der Hände bei einer Patientin mit Rheumatoider Arthritis. Nach anfänglichen Allgemeinsymptomen, wie z. B. Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Leistungsminderung folgen schmerzhafte Schwellungen verschiedener Gelenke in Folge einer chronischen Entzündung der Synovialmembran. Am häufigsten sind die kleinen Gelenke der Hände und Füße betroffen, aber auch große Gelenke (z. B. Kniegelenk) können befallen sein.

Was sind Rheumafaktoren?

Rheumafaktoren (RF) sind Autoantikörper, die gegen die Fc-Region von Immunglobulin der IgG-Klasse gerichtet sind. Sie wurden erstmals durch Waaler und Rose 1940 und 1949 beschrieben. RF können allen Immunglobulinklassen (IgM, IgA, IgG, IgD, IgE) angehören, wobei die Bedeutung der IgD und IgE-RF schon aufgrund ihrer geringen Konzentration ungeklärt ist.

IgM-RF: Das ist der wichtigste und bekannteste RF, da er durch die Agglutinationstechniken aufgrund seiner pentameren Struktur und somit höheren Avidität fast ausschließlich erfasst wird. IgM-RF sind in 70-80 % der Fälle bei Patienten mit einer RA nachweisbar. Allerdings können sie auch bei anderen Autoimmunerkrankungen, bei chronischen entzündlichen Erkrankungen sowie bei Gesunden vorkommen (Tab. 1). IgM-RF sind nicht selten am Beginn der Erkrankung negativ und erst bei einer Krankheitsdauer von über einem Jahr nachweisbar. Gesunde mit hohen RF-Konzentrationen haben im Vergleich zu RF-Negativen ein deutlich erhöhtes Risiko (5-40fach), an einer RA zu erkranken

IgA-RF: In den letzten Jahren hat die Bestimmung der IgA-RF zunehmende Bedeutung erlangt. Sie gelten als frühe Marker einer RA und sind mit einem erosiven Verlauf der Erkrankung sowie extraartikulären Manifestationen assoziiert. Der Titer von IgA-RF korreliert besser als der der IgM-RF mit der Krankheitsaktivität. Der gleichzeitige Nachweis von IgM-RF und IgA-RF hat eine deutlich höhere Aussagekraft für die Diagnose einer RA als der singuläre Nachweis eines RF.

IgG-RF: IgG-RF gelten ebenfalls als frühe Marker einer RA ! und sind dann mit extraartikulären Manifestationen assoziiert.

Tab. 1 Prävalenz von RF (vorwiegend IgM-RF) bei ausgewählten Erkrankungen

Rheumatoide Arthritis70 - 80 %
Primäres Sjögren-Syndrom55 %
SLE15 - 35 %
Sklerodermie20 - 30 %
MCTD50 - 60 %
Polymyositis26 %
Juvenile chron. Arthritis (JCA)10 - 15 %
Kryoglobulinämie Typ IIbis 100 %
Endocarditis lenta25 - 60 %
Chronische Hepatitis, PBC15 - 70 %
Infekte (bakteriell, parasitär, viral)5 - 90 %
Tumoren5 - 25 %
Gesunde  < 60 Jahre1-4 %
Gesunde  > 60 Jahre5-12 %

Wie aus der Tabelle (Tab. 1) ersichtlich, ist ein positiver RF-Befund nicht beweisend für eine RA und umgekehrt schließt ein negativer RF-Befund eine RA nicht sicher aus. Allerdings muss an dieser Stelle nochmals unterstrichen werden, dass die RF zu den ACR-/EULAR-Klassifikationskriterien einer RA gehören und die Aktivität der Erkrankung reflektieren (s. o.). Hinzu kommt, dass hochtitrige IgM-RF eine ähnlich hohe diagnostische Spezifi tät wie die CCP-AAk aufweisen, bei allerdings deutlich geringerer Sensitivität. Als relativ RA-spezifisch gilt der gleichzeitige Nachweis von IgM-, IgA- und IgG-RF. Der gleichzeitige Nachweis von RF und CCP-AAk erhöht die Spezifität der Diagnostik einer RA auf nahezu 100 %!

Seit 2012 zählen die RF auch zu den überarbeiteten Klassifikationskriterien des Sjögren-Syndroms.

Indikationen

  • Verdacht auf Rheumatoide Arthritis (RA)
  • Verdacht auf Kryoglobulinämie Typ II
  • Verdacht auf Sjögren-Syndrom

RF-Nachweismethoden und Anforderung

Sowohl der Waaler-Rose-Test (Hämagglutinationstest) als auch der Latex-Agglutinationstest sind für die Routinediagnostik nicht mehr relevant. Stattdessen werden heute Partikel-basierte Nachweismethoden (Nephelometrie und Turbidimetrie) und Enzymimmunoassays (ELISA) eingesetzt.

Allerdings weisen die Partikel-basierten Nachweismethoden vorzugsweise Rheumafaktoren der Immunglobulinklasse IgM nach und sind weniger sensitiv als die ELISA-Methode, so dass auch falsch negative RF-Ergebnisse möglich sind. Andererseits sind auch falsch positive RF-Ergebnisse durch zirkulierende Immunkomplexe zu beobachten. Lediglich die Enzymimmunoassays (ELISA) ermöglichen als einzige Methode die sichere Bestimmung aller 3 RF-Klassen IgM, IgA und IgG.

Bei der Anforderung „Rheumafaktor“ wird in unserem Haus als Screeningtest die Turbidimetrie durchgeführt. Ist jedoch die Bestimmung der einzelnen RF-Klassen gewünscht, empfiehlt sich die entsprechende Anforderung wie z. B. „RF-Klassen“, „IgM-RF“, „IgA-RF“ oder „IgG-RF“.

Abb. 2  Musterbefund

Material

Serum (1 ml) oder Vollblut

Der Transport ins Labor ist nicht zeitkritisch und kann per Postversand erfolgen.

Abrechnung

Eine Abrechnung ist im kassen- und privatärztlichen Bereich gegeben. 

Sie wollen sich einen Vortrag dazu ansehen?

Zu diesem Thema steht Ihnen in unserem Videoarchiv ein Übersichtsvortrag zur Verfügung. Der Zugang ist ohne Anmeldung und kostenfrei möglich.

     www.inflammatio.de

Literatur

  • Aletaha D et al. Rheumatoid arthritis classifi cation criteria: an American College of Rheumatology/ European League against Rheumatism colla borative initiative. Arthritis Rheum 2010; 62:2569–81.
  • Conrad K, Schößler W, Hiepe F. Autoantikörper bei systemischen Auto immunerkrankungen. PABST 2012