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Molekulare Allergiediagnostik – Was ist schon praxisrelevant?

Kreuzreaktivität ist das Problem aller Allergietest

Die klassische Allergiediagnostik, d.h. der Pricktest, wie auch die Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper im Blut, verwendet Allergenextrakte (native Allergene). Nativ bedeutet, dass die Testallergene z.B. aus nativen Pollen, Nahrungsmitteln, Tierhaaren oder Schimmelpilzen durch aufwändige Gefriertrocknungsverfahren gewonnen werden. Die Allergenextrakte enthalten zwangsläufig alle Bestandteile und somit eine ganze Reihe von Proteinen und allergenen Determinanten die sehr unterschiedliche allergologische Potenz inne haben.
Die Folge ist, dass IgE-Antikörper auf Haupt- und Nebenallergene mit gleicher Wertigkeit nachgewiesen werden und daher Kreuzallergien von „echten“ Allergien nicht zu trennen sind.

Ausweg – Diagnostik mit rekombinant hergestellten Allergenkomponenten

Durch Einsatz gentechnisch hergestellter Allergenkomponenten ist nicht nur eine höhere Spezifität in der Allergiediagnostik möglich, sondern auch die getrennte Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper gegen Haupt- und Nebenallergene. Bei den nachfolgend genannten Allergenen hat dieses bereits praktische Konsequenzen.

Die Abbildung demonstriert, dass in der Erdnuss verschiedene Proteinstrukturen enthalten sind (dargestellt durch die verschiedenen Farben) die bei der Molekularen Allergiediagnostik jetzt einzeln diagnostiziert werden.

Die Firma Phadia gilt mit ihrem „ImmunoCAP™“-Testsystem als „Goldstandard“ für die Diagnostik des spezifischen IgE nicht nur gegen die herkömmlichen Allergenextrakte, sondern auch in der Molekularen Allergiediagnostik.

Die Bestimmung der angegebenen Allergendeterminanten ist im Normalfall als Folgediagnostik nach positivem IgE-Test auf das Gesamtallergen (z.B. t3 Birke, f2 Kuhmilch usw.) oder positivem Pricktest zu empfehlen. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. ω5-Gliadin) ist die Sensitivität der Molekularen Allergiediagnostik nicht höher im Vergleich zur konventionellen Allergenextraktdiagnostik. Ihr Mehrwert liegt daher in der Abklärung von Kreuzreaktivitäten und in der Abklärung der klinischen Relevanz von Sensibilisierungen.

Pollensensibilisierung – Worauf macht man die Spezifische Immuntherapie?

Birke
t 215    rBet v1 Hauptallergen
t 221    rBet v2, rBet v4 Nebenallergene

Gräser
g 213    rPhl p1, rPhl p5b Hauptallergene
g 214    rPhl p7, rPhl p12 Nebenallergene

Beifuß
w 231    nArt v1 Hauptallergen

Ambrosie
w 230    nAmb A1 Hauptallergen

Erkenntnisgewinn:
Nebenallergene aus den Gruppen der Polcalcine und Profiline sind weit verbreitet in der Natur und in Birken-, Gräser-, Beifuß- und auch Ambrosiapollen enthalten. Das erklärt, dass im Pricktest oder auch spezifischen IgE gegen die Nativallergene häufig gegen mehrere oder sogar alle vier Allergene positiv getestet wird. Die molekulare Allergiediagnostik erlaubt die Differenzierung zwischen echten Mehrfach-Sensibilisierungen (IgE gegen Hauptallergene sind positiv) und Kreuzreaktivitäten. Dieses ist wichtig für die Auswahl der individuell erfolgversprechendsten Spezifischen Immuntherapie (SIT), da diese gegen das Hauptallergen gerichtet ist. Zudem kann bei Verwendung der IgE-Antikörper gegen die Hauptallergene im Rahmen einer Verlaufskontrolle der Therapieerfolg besser beurteilt werden als bei Verwendung der IgE-Titer gegen das Allergenextrakt. Bei positiven Ergebnissen auf Bet v 1 sollte immer nachträglich auch auf das kreuzreaktive Allergen aus Soja (Gly m4, f353) und Erdnuss (Ara h8, f352) getestet werden, da im positiven Fall ein Risiko für allergische Reaktionen von Birkenpollenallergikern bei Verzehr von Soja und Erdnüssen vorliegt.

War es die Biene oder die Wespe?

i 208    rApi m1 Phospholipase A2, Bienengift 
i 217    rApi m10 Bienengift
i 209    rVes v5 Antigen 5, Wespengift
i 211    rVes v1 PhospholipaseA1, Wespengift

Erkenntnisgewinn:
In 40% der Fälle zeigt der Pricktest und auch die Bestimmung der spezifischen IgE gegen die nativen Bienen- und Wespengiftallergene (i1, i3) doppelt positive Ergebnisse. Ursächlich sind kreuzreagierende Proteine die zwar allergologisch wenig bedeutsam sind aber positive Testergebnisse induzieren. Die Einzeldiagnostik auf die Hauptallergene der Biene (Api m1 und Api m10) und der Wespe (Ves v1 und Ves v5) zeigt in vielen Fällen das tatsächlich relevante Allergen an wogegen dann die SIT geplant werden kann.

Weizen – induzierte Anaphylaxie?

f 416    rTri a 19 ω-5-Gliadin
f 98    Gliadin (α, β, γ-Gliadin)

Erkenntnisgewinn:
Eine Sensibilisierung auf ω-5-Gliadin ist diagnostisch wegweisend für ein weizenabhängiges anstrengungsinduziertes Anaphylaxiesyndrom (WDEIA), welches lebensbedrohend sein kann. Die Spezifität dafür beträgt 96%, die Sensitivität 78%. Die Analyse auf Gesamtweizenextrakt (f4) kann beim WDEIA negativ sein. Daher sollten f4 und f416 immer parallel getestet werden.

Erdnuss – lebensgefährlich oder nicht?

f 422    rAra h1 aus Erdnuss (SpPr)
f 423    rAra h2 aus Erdnuss (SpPr)
f 424    rAra h3 aus Erdnuss (SpPr)
f 427    rAra h9 aus Erdnuss (LTP)
f 352    rAra h8 aus Erdnuss (PR10)

Erkenntnisgewinn:
Eine Sensibilisierung auf eines der hitzeresistenten Speicherproteine Ara h1, Ara h2, Ara h3 oder Ara h9 (LTP) ist oft mit schwereren systemischen Reaktionen assoziiert. Dagegen zeigen Patienten die „nur“ auf das PR10-Protein Ara h8 reagieren in der Regel lediglich ein Orales Allergiesyndrom (oft Patienten mit bekannter Birkenpollenallergie). Patienten mit Ara h9-Sensibilisierung zeigen eine Kreuzreaktivität zu Pfirsich.

Gefährliche Sojaallergie nur bei Gly m5 und Gly m6-IgE

f 353    Gly m4 aus Soja (PR10)
f 431    Gly m5 aus Soja (SpPr)
f 432    Gly m6 aus Soja (SpPr)

Erkenntnisgewinn:
Die Speicherproteine Gly m5 und Gly m6 sind “echte” Sojaallergene. Sie sind hitze- und verdauungsresistent und können schwere anaphylaktische Reaktionen auslösen. Gly m4 ist als Mitglied der PR10-Familie verwandt mit Bet v1 der Birke und induziert „nur“ das Soja-induzierte Orale Allergiesyndrom. Gly m4 wird durch Hitze und Verdauung zerstört.

Ist gekochte Kuhmilch verträglich?

f 78    Bos d8 Kasein
f 76    Bos d4 a-Laktoglobulin
f 77    Bos d5 b-Laktoglobulin
e 204    Bos d6 Serumalbumin BSA

Erkenntnisgewinn:
Bos d8 ist das Kasein der Kuhmilch und gilt auf Grund seiner Hitze- und Verdauungsstabilität als Risikomarker. Bos d4, Bos d5 und Bos d6 sind dagegen hitzelabil, weshalb hitzebehandelte Milch vertragen wird.

Echte Apfelallergie oder nur Kreuzreaktivität zu Birkenpollen?

f 434    Mal d1 (PR10)
f 435    Mal d3 (LTP)

Erkenntnisgewinn:
Mal d1 ist das verwandte Allergen zu Birkenpollen Bet v1. Mald1 ist anfällig gegen Hitze und Verdauung. Wer nur IgE auf Mal d1 hat, verträgt gekochte oder gebackene Äpfel und hat „nur“ ein Orales Allergiesyndrom. Anders bei Mal d3. Patienten mit IgE gegen Mal d3 sind „echte“ Apfelallergiker. Hier sind schwere systemische Reaktionen möglich, sogar gegen hitzebehandelte Äpfel.

Material

10 ml Vollblut zur Serumgewinnung sind ausreichend für mindestens 20 Allergene

Wie wird das abgerechnet ?

Die Abrechnung der IgE-Bestimmungen gegen molekulare Allergenkomponenten unterscheidet sich nicht vor der konventionellen IgE-Diagnostik. Die Diagnostik kann sowohl über die Gesetzliche Krankenkasse (EBM-Ziffer 32427) als auch über Privatkassen (GOÄ 3891) abgerechnet werden.

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Zu diesem Thema steht Ihnen in unserem Videoarchiv ein Übersichtsvortrag zur Verfügung. Der Zugang ist ohne Anmeldung und kostenfrei möglich.

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