Habituelle Aborte – wiederholte Fehlgeburten
Diagnose
Man geht davon aus, dass ca. 10-15 % aller Schwangerschaften als spontane klinische Aborte enden. Die tatsächliche Zahl dürfte sogar noch deutlich höher sein, denn Frühaborte werden in vielen Fällen gar nicht als solche erkannt.
Kommt es in der gleichen Partnerschaft zu drei oder mehr aufeinander folgende Fehlgeburten vor der 20. Schwangerschaftswoche, dann spricht man von habituellen Aborten.
Prävalenz
Die Prävalenz habitueller Aborte liegt bei ca. 1 %. Je nach Anzahl der vorausgegangenen Fehlgeburten (ein, zwei, drei oder mehr) liegt das Wiederholungsrisiko für eine Fehlgeburt bei 16 %, 25 %, 45 % bzw. 54 %.
Ursachen habitueller Aborte
Zu den potenziellen Ursachen zählen genetische, endokrine und anatomische Veränderungen. Darüber hinaus kommen Infektionen und Autoimmunerkrankungen als Ursachen in Frage.
Uterine Fehlbildungen
Uterine Ursachen, wie zum Beispiel der Uterus septus oder Adhäsionen nach Abrasio uteri, sind in 20 % der Fälle habitueller Abortneigung zu erkennen.
Diagnostisch und gleichzeitig auch therapeutisch wird eine Hysteroskopie empfohlen, um sowohl die Ausprägung der vorliegenden Veränderung zu erfassen als auch im Idealfall gleichzeitig eine hysteroskopische Resektion des Septums bzw. der vorliegenden Adhäsionen vorzunehmen.
Genetische Faktoren
Bei Paaren mit habituellen Aborten lassen sich in 3-5 % der Fälle bei einem der Partner Auffälligkeiten im Karyotyp nachweisen.
Die aktuelle Leitlinie zur Diagnostik und Therapie habitueller Aborte empfiehlt daher die genetische Untersuchung beider Partner. Alternativ dazu kann im Falle des Abortes mit nachfolgender Abrasio auch eine genetische Analyse des Abradats erfolgen, um genetische Auffälligkeiten zu identifizieren.
Infektionen
Es gibt keine Hinweise darauf, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen habitueller Abortneigung und genitalen Infektionen besteht.
Aus diesem Grund wird bei asymptomatischen Patientinnen kein spezifisches Infektionsscreening empfohlen. Unabhängig von der habituellen Abortneigung soll bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch die Immunität gegenüber Varizellen, Toxoplasmose und Röteln überprüft werden.
Antiphospholipidsyndrom (APS)
Der Zusammenhang zwischen habituellen Aborten und dem Vorliegen eines Antiphospholipidsyndroms ist vielfach belegt. Somit gehört der Ausschluss bzw. Nachweis des APS zur Basisdiagnostik bei habituellen Aborten.
Zur Diagnosestellung werden klinische Parameter und Laboranalytik herangezogen. Labordiagnostisch sollte auf Lupus-Antikoagulans, Anticardiolipin-Antikörper und die Isotypen IgG und IgM-Antikörper gegen beta-2-Glykoprotein I (β2GPI) untersucht werden. Wegen der ausgeprägten spontanen Fluktuation der Parameter soll die Untersuchung im Abstand von 12 Wochen wiederholt werden. Bei Bestätigung der auffälligen Laborwerte kann dann die Diagnose als gesichert angenommen werden.
In diesen Fällen wird die Therapie mit 100 mg Acetylsalicylsäure (ASS) sowie zusätzlich niedermolekularem Heparin (z. B. Enoxaparin, Clexane 40 oder Dalteparin bzw. Fragmin P forte) empfohlen.
Ist die Diagnose Antiphospholipidsyndrom einmal gestellt, sollte auch eine ANA-Differenzierung folgen, denn plazentagängige Antikörper (SSA/SSB) können mit zusätzlichen Komplikationen für das Neugeborene assoziiert sein.
Thrombophilie
Das Vorliegen einer Thrombophilie wird nicht als ursächlich für habituelle Aborte angesehen.
Falls es jedoch anamnestische Hinweise auf ein bei der Patientin erhöhtes Thromboserisiko gibt, so sollte dieses Risiko durch gezielte Diagnostik abgeklärt werden (Antithrombin-, Protein C- und Protein S-Mangel, Faktor V-Leiden und Prothrombin-Genmutation).
Bei auffälligen Befunden soll dann zum Schutz der werdenden Mutter im Falle einer Schwangerschaft über die systemische Antikoagulation diskutiert werden. Eine Veränderung des individuell bestehenden Abortrisikos bzw. des Risikos für einen wiederholten Abort ergibt sich daraus nicht.
Hinweise zur Präanalytik
- Die Laboranalyse hereditärer Thromboserisikofaktoren erfordert 2-3 x 3 ml Citratblut, 1 x Vollblut, nicht abzen-trifugiert, nicht gekühlt, möglichst taggleich eingesendet.
- Ein kleines Blutbild – auch zum Ausschluss einer Anämie oder Hämoglobinopathie sowie einer essenziellen Thrombozythämie als möglicher, seltener Risikofaktor für habituelle Aborte – erfordert 1 x EDTA-Blut.
Endokrine Ursachen
Die aktuelle Leitlinie zu habituellen Aborten empfiehlt zur endokrinologischen Abklärung die Bestimmung von TSH zum Ausschluss einer Schilddrüsenfunktionsstörung. Bei auffälligem Befund sollen dann anschließend die freien Schildddrüsenhormone (fT3; fT4) sowie die Schilddrüsenantikörper TPO bzw. TRAK untersucht werden.
Ebenso wird in der Leitlinie der Ausschluss bzw. Nachweis eines PCOS empfohlen, da es eine Assoziation zwischen Abortneigung und PCOS gibt. Labormedizinisch sollten hierzu die folgenden Parameter analysiert werden: Estradiol, LH, FSH, Prolaktin, DHEAS, Androstendion, Testosteron und SHBG.
Bei Nachweis eines PCOS wird dann entsprechend weiterführende Diagnostik (75 g OGTT) empfohlen.
Sinnvolle Laboranalytik bei habituellen Aborten
Endokrinologie
- Östradiol, LH, FSH, Prolaktin
- Testosteron, SHBG, Androstendion, DHEAS
- Cortisol ggf. 17-OH-Progesteron
- TSH, fT3, fT4, TPO ggf. TRAK
Antiphospholipidsyndrom
- Anti-Cardiolipin-Ak (IgM, IgG)
- Anti-β2-Glykoprotein-1-Ak (IgM, IgG)
- Lupus Antikoagulans
Thrombophilie
- Antithrombin; Protein C/S; Faktor V-Leiden; Prothrombinmutation
Genetik
- Chromosomenanalyse beider Partner oder aus dem Abortmaterial
- bei Auffälligkeiten: Zytogenetik
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