Morbus Basedow
Der Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse. Die Pathogenese basiert auf einem komplexen multifaktoriellen Geschehen. Dabei spielen eine genetische Disposition, familiäre Veranlagung sowie psychosoziale Faktoren und immunologische Mechanismen eine Rolle. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind eine Autonomie der Schilddrüse oder medikamentös-induzierte Hyperthyreosen (zum Beispiel durch Amiodaron). Sehr selten ist das TSH-produzierende Hypophysenadenom.
Krankheitsauslösend sind Antikörper, die gegen den TSHRezeptor gerichtet sind. Diese Antikörper stimulieren unterschiedlich stark den TSH-Rezeptor. Begleitend sind auch die Antikörper gegen thyreoidale Peroxidase (70 %) oder Antikörper gegen Thyreoglobulin (20 % der Fälle) erhöht. Die TSHRezeptor-Antikörper aktivieren intrazelluläre Signalwege, die unter anderem zu einem Schilddrüsenwachstum und zur Bildung und Freisetzung von Schilddrüsenhormonen führen. Außerdem stimulieren sie die Jodaufnahme.
Klinisches Bild
Anamnestisch leiden die Patienten an einer Tachykardie, Gewichtsverlust, psychomotorischer Unruhe sowie einem feinschlägigen Tremor, Schlaflosigkeit und Nervosität. Die Patienten nehmen trotz Heißhunger an Gewicht ab, eventuell kommt es auch zu Hypoglykämien. Es besteht oft eine Wärmeintoleranz und häufig auch eine gesteigerte Stuhlfrequenz. Zyklusstörungen können bestehen.
Diagnostik
Laborchemisch zeigen sich ein supprimiertes TSH sowie erhöhte periphere Schilddrüsenhormone (fT3 und fT4). Bei einem erniedrigten basalen TSH Wert reicht eine alleinige Bestimmung von fT4 nicht aus, da es isolierte T3 Hyperthyreosen gibt (zum Beispiel im Frühstadium einer Hyperthyreose). Sonographisch zeigt sich eine Echoarmut und eine Hypervaskularisation.
Therapie und Verlaufskontrollen
Eine kausale Therapie gibt es nicht. Das Mittel der ersten Wahl ist Thiamazol. Dies hemmt die Synthese von MJT und DJT, nicht aber die Ausschüttung des bereits fertigen Hormons (T3, T4). Aus diesem Grunde kommt es erst nach 6-8 Tagen zu einem Wirkungseintritt. Das Prodrug Carbimazol wird in Thiamazol umgewandelt, somit ist das Dosisverhältnis Carbimazol zu Thiamazol 1,5 : 1. Zweite Wahl ist (bis auf das erste Trimenon bei Schwangeren, dort 1. Wahl), das Propylthiouracil (Propycil). Die Initialdosis von Thiamazol liegt zwischen 10 und 20 mg. Unter der thyreostatischen Therapie kann es zu Blutbildveränderungen wie einer Leukozytopenie und selten zu einer Agranulozytose (Fieber und Halsschmerzen beachten) kommen. Zusätzlich können Leberwertveränderungen auftreten (regelmäßige Blutbild- und Kontrollen der Transaminasen sollten erfolgen). Des Weiteren ist eine Kontrolle der Lipase angeraten. Ebenfalls sind allergische Reaktionen möglich.
Nach Einleitung einer thyreostatischen Therapie ist eine Laborkontrolle in der Regel nach 4 Wochen anzuraten, nach klinischer Einschätzung im Einzelfall auch früher. In Abhängigkeit der peripheren Hormone sollte eine langsame Dosisreduktion erfolgen.
Bei einer immunogenen Hyperthyreose wird eine thyreostatische Therapie ca. 18 Monate durchgeführt. Dann sollte - soweit möglich - ein Auslassversuch erfolgen.
Nach Absetzen der Therapie kann es bei 50 % der Patienten zu einem Rezidiv kommen. Im Falle eines Rezidivs ist eine definitive operative/radiotherapeutische Therapie anzustreben.
Prognose
Empfohlen wird eine Bestimmung des TSH- Rezeptor-Spiegels nach sechs Monaten, da dies für die weitere Diagnose/ Therapie eine prognostische Bedeutung hat. Bei TRAK-Werten über 10 > IU/l ist eine dauerhafte Remission unwahrscheinlich und eine definitive Therapie im Verlauf anzuraten (Operation/ Radiojodtherapie). Zu beachten ist, dass es unter einer Radiojodtherapie zu einer Verschlimmerung einer endokrinen Orbitopathie kommen kann (daher nur 2. Wahl). Die endokrine Orbitopathie ist eine extrathyreoidale Manifestation des Morbus Basedow. Die Antikörper gegen TSHRezeptoren finden sich auch im Orbitagewebe. Die Schilddrüsenfunktion ist in über 90 % hyperthyreot, selten auch euthyreot. Sie kann einer Hyperthyreose vorausgehen, parallel oder später auftreten.
Endokrine Orbitotherapie
Bei einem Morbus Basedow haben Raucher ein achtfach erhöhtes Risiko für eine endokrine Orbitopathie! Als Folge des Exophthalmus bestehen ein seltener Lidschlag (Stellwag Zeichen), ein Zurückbleiben des Oberlides (Graefe Zeichen), ein Fremdkörpergefühl, Lichtempfindlichkeit, schmerzhafter Druck hinter dem Auge, Doppelbilder und Visusverlust. Eine kausale Behandlung ist nicht bekannt. Wichtig ist die Herbeiführung einer Euthyreose und eine Nikotinkarenz. Zusätzlich wird die Gabe von Selen 200 µg empfohlen. Als lokale Maßnahmen kommen getönte Augengläser und Dexpanthenol-Augensalbe in Frage. Bei Bedarf ebenfalls künstliche Tränentropfen.
Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Augenärzten, Schilddrüsenspezialisten/Endokrinologen, eventuell Strahlentherapeuten und Chirurgen ist anzustreben.
Material
TSH, fT3, fT4 und TRAK-AK: Serum
Der Transport ins Labor ist nicht zeitkritisch und kann per Postversand erfolgen.
Abrechnung
Eine Abrechnung ist bei gegebener Indikation im kassenund privatärztlichen Bereich gegeben.